Die Begriffe “Soll” und “Haben” stammen aus dem betrieblichen Rechnungswesen und bezeichnen die beiden Seiten eines Buchungskontos. Die Mitglieder der Fachschaft BWR auf unserem Foto und auch die Absentinnen und Absenten jedenfalls kennen sich bestens damit aus. Schon der bekannte Romancier Gustav Freytag schildert in seinem Kaufmannsroman „Soll und Haben“ die soziale und wirtschaftliche Situation in Schlesien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts am Beispiel einzelner markanter Protagonisten. Zugleich ist das Werk ein Entwicklungsroman, der die Laufbahn und den Reifeprozess Anton Wohlfarts vom 18-jährigen Lehrling zum erfahrenen Kaufmann zeigt.
Wenn wir noch ein paar Jahrhunderte zurückschauen, in die Mitte des 15. Jahrhunderts, erleben wir die mittelalterliche Welt des Jakob Fugger. Den Familienbetrieb baute er innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem europaweit tätigen Unternehmen aus.
Der so erfolgreiche Augsburger Kaufmann gilt als der bedeutendste Vertreter des Frühkapitalismus nördlich der Alpen. Er schuf mit seinem Bruder Georg die Weltstellung und das Vermögen des Hauses Fugger, vor allem, indem sie die Habsburger durch ständige Kredite in ihre Abhängigkeit bringen konnten. Moderne Darstellungen bezeichnen ihn auch als Global Player des Mittelalters.
Als praxis- und berufsorientiertes Unterrichtsfach trägt das Fach Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen zu einer breiten und fundierten ökonomischen Grundbildung bei. Die Schülerinnen und Schüler erwerben im Unterricht ökonomische Handlungskompetenz, die sie befähigt, private, berufliche und gesellschaftliche Lebenssituationen selbstbestimmt und verantwortungsbewusst zu bewältigen. Das hört sich erst einmal ziemlich abstrakt an.
„Wenn Sie mit dem Bus fahren wollen, müssen Sie sich ein Ticket kaufen. Wenn Sie heute Abend eine Fertigpizza essen wollen, brauchen Sie Geld, um das bezahlen zu können. Sie brauchen ein Einkommen, um eine Doppelhaushälfte zu finanzieren oder das Unistudium Ihrer Kinder.“ So Wirtschafts-Prof. Goldschmidt, der in diesem Herbst zusammen mit Herrn Schinwald in den Ethikrat berufen wurde. „Das heißt, man muss den Kapitalismus nicht lieben, aber man muss ihn irgendwie verstehen“, so Goldschmidt. Deswegen brauche man ökonomische Bildung, deswegen brauche jeder Bürger, jede Bürgerin ein grundlegendes ökonomisches Verständnis.
Den Zugang dazu finden Jugendliche an unserer Schule m BWR-Unterricht. Hier erhalten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, vielschichtige Erscheinungen in ökonomischen Handlungsfeldern zu strukturieren und wirtschaftliche Sachverhalte zu analysieren, indem sie diese rechnerisch erfassen, darstellen und auswerten. Sie erwerben betriebswirtschaftliche Kenntnisse und lernen, mit Fachbegriffen richtig umzugehen und ihr erworbenes Wissen anzuwenden. So ist es im Lehrplan Plus des Faches festgehalten.
Mehr als die Hälfte der jungen Menschen in Deutschland zeigt Interesse an Wirtschaftsthemen. Das zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Zugleich beklagt jeder Zweite, nicht über ausreichendes Wissen zu verfügen, um wirtschaftliche Nachrichten verstehen zu können.
Mehr als die Hälfte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen (54 Prozent) zeigt auch Interesse an wirtschaftlichen Themen wie Rente, Weiterbildung und Bezahlung. Das geht aus einer repräsentativen Befragung von 14- bis 25-Jährigen im Auftrag der Stiftung hervor. „Dazu passt, dass sich 78 Prozent der Befragten mehr Wirtschaftsinhalte in der Schule wünschen“, sagt Tobias Bürger, Experte der Bertelsmann Stiftung für Jugend und Wirtschaft.
Für junge Menschen sind insbesondere die vier Themenbereiche berufliche Weiterentwicklung (81 Prozent), Rente und Rentensystem (79 Prozent), Chancengleichheit in Bildung und Beruf (78 Prozent) sowie Work-Life-Balance (77 Prozent) interessant. Weiterhin spielen Gender Pay Gap – also die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen – mit 69 Prozent sowie Klimaschutz mit 66 Prozent eine Rolle. Für die Themen Aktienmarkt und Zinspolitik interessiert sich insgesamt nur rund die Hälfte der Befragten.
Text: J. Vesper Foto: K. Molitor
„Fakt ist, dass wir in einer Marktwirtschaft leben, also dass die Marktwirtschaft eigentlich das zentrale System, die zentrale Schaltstelle unserer Gesellschaft ist,“ sagt Nils Goldschmidt. Goldschmidt ist Professor für Kontextuale Ökonomik und Ökonomische Bildung an der Universität Siegen. Es sei fatal zu glauben, dass wir die Welt dadurch zu einem besseren Ort machen könnten, indem wir ignorierten, wie die Welt funktioniere. Und unsere Welt sei nun mal in großen Teilen eine wirtschaftliche Welt. „Deswegen brauchen wir ökonomische Bildung, deswegen braucht jeder Bürger, jede Bürgerin ein grundlegendes ökonomisches Verständnis.
An unserer Schule wird dieses von Goldschmidt propagierte „grundlegende ökonomische Verständnis“ im Fach BWR gelegt. Denn wie heißt es so schön: „Nicht für die Schule, sondern das Leben lernen wir.“ Mehr dazu im Gespräch mit Herrn Herold, langjähriger BWR-Fachschaftsleiter
BWR ist ein interdisziplinärer Unterrichtsinhalt. Was ist das wesentliche Ziel des Faches?
Herr Herold: Die Schülerinnen und Schüler sollen eine grundlegende wirtschaftliche Bildung im privaten Haushalt sowie in unternehmerischer Hinsicht erhalten. Im Profilfach Zweig II geht es dann um eine Systematik der Buchhaltung, sowie betriebswirtschaftliche Überlegungen im Unternehmen, wie zum Beispiel Marketing, Personalführung, Investitionen, oder Kapitalbeschaffung.
Welche Voraussetzungen sollten SchülerInnen mitbringen, wenn sie das Fach als Profilfach nach der 6. Klasse wählen?
Es sind keine besonderen Voraussetzungen nötig, da die Inhalte von der Pike auf vermittelt werden. Ein allgemeines Interesse im Hinblick auf wirtschaftliche Themen ist von Vorteil.
Was sind die Kerninhalte, die in den unteren Klassen, aber auch in den oberen vermittelt werden?
Im 7. und 8. Jahrgang geht es im Wesentlichen um die Einführung in die Geschäftsbuchhaltung, sowie Buchungen im Einkauf und Verkauf. In der 9. und 10. Klasse wird diese Thematik vertieft und um die Kapitalbeschaffung und Geldanlage erweitert. Hinzu kommen die Auswertung von Unternehmenszahlen sowie die Kosten - und Leistungsrechnung.
In einer zunehmend komplexen und globalisierten Welt ist die wirtschaftliche Bildung für Jugendliche von entscheidender Bedeutung.
Ja, sie wird immer wichtiger. Vor allem auch der Hinweis auf Vermeidung von Verschuldungen. Digitale Aspekte wie das Onlinebanking, digitale Zahlungsmöglichkeiten - PayPal, Apple oder googlePay -gewinnen an Bedeutung. Im Netz lauern überall Gefahren, auch davon wird die Rede sein.
Jugendliche sind besonders an Themen interessiert, die ihre Identität und ihr soziales Umfeld prägen.
Bildung ist der Schlüssel zu wirtschaftlicher Selbstständigkeit und eröffnet Türen zu vielfältigen Möglichkeiten. Die Vermittlung von unternehmerischen Kompetenzen und kritischem Denken in Bildungseinrichtungen ist entscheidend, um zukünftige Generationen auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorzubereiten. Die wirtschaftliche Bildung von Jugendlichen ist entscheidend für ihre Fähigkeit, informierte Entscheidungen im Umgang mit Geld, Konsum und Investitionen zu treffen. Ein frühzeitiger Zugang zu praktischen Finanzkenntnissen und wirtschaftlichem Denken kann Jugendlichen helfen, finanzielle Stabilität und Unabhängigkeit im Erwachsenenleben zu erreichen.
Findet das Fach BWR im Lehrplan ausreichend Berücksichtigung?
Ja und nein. In den Jahrgängen 7 bis 9 finde ich es völlig in Ordnung. Man könnte sich über die Themen manchmal streiten und evtl. die Schwerpunkte etwas anders setzen. In der 10 wäre eine 4. Stunde für die AP-Vorbereitung wünschenswert. Aber auch die anderen Profilfächer dürften von diesem Wunsch getragen sein.
Text: J. Vesper Foto: K. Molitor